Donnerstag, 14. Juni 2007

Keine Angst vorm Beamen, meint Autor Rolf Froböse














“Der Weltraum, unendliche Weiten, wir befinden uns in einer fernen Zukunft ...”. Wenn der Commander das Raumschiffs via “Wharp-Antrieb” mit zigfacher Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxis gleiten läßt, dürfte Albert Einstein nicht mit an Bord sein, da er sonst die Notbremse ziehen würde. Denn gemäß den Gesetzen seiner Relativitätstheorie setzt die Lichtgeschwindigkeit mit knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde dem interstellaren Reise- und Kommunikationsverkehr enge Grenzen.

Seit Ende der neunziger Jahre haben andere Physiker Einsteins Dogma erstmals ins Wanken gebracht. Nicolas Gesin und seine Kollegen von der Universität Genf fanden beispielsweise bei Experimenten mit Lichtteilchen heraus, dass diese über eine Distanz von mehreren Kilometern praktisch unendlich schnell Informationen austauschen können. Mit den Versuchen testete das Genfer Team zugleich die Quantentheorie, die mit Einsteins Relativitätstheorie teilweise unvereinbar ist. So läßt die Quantentheorie überlichtschnelle Kommunikation zwischen Teilchen prinzipiell zu.

Um die Lichtmauer zu durchbrechen, verwandelten die Forscher die Stadt Genf samt Umgebung in ein riesiges Laboratorium. In der “Zentrale” in der Genfer City schossen sie rotes Laserlicht durch einen Kristall aus Kaliumniobat. Dieser spaltete die Photonen in zwei Teile mit jeweils rund der halben Energie auf. Diese nunmehr infraroten Photonen leiteten die Forscher in entgegengesetzte Richtung durch normale Glasfaserleitungen. Die eine führte in den Nachbarort Bellevue, die andere in das 11 Kilometer entfernte Bernex. Bis kurz vor dem Ziel hielten sich die Teilchen an die bekannten Regeln der Physik.

Doch dann geschah etwas Merkwürdiges: In beiden Städten gabelte sich die Leitung vor den Meßdetektoren Y-förmig. Sowohl in Bellevue als auch in Bernex mussten die Photonen zwischen einem kürzeren oder einem 20 Zentimeter längeren Ast der Verzweigung “wählen”. Auf geheimnisvolle Weise “wußten” die geteilten Partikel, was ihre weit entfernte andere Hälfte tat, denn sie entschieden sich in der Regel für den gleichen Weg. Die Forscher schließen nunmehr daraus, daß die überlichtschnelle Kommunikation zwischen den Teilchen nicht nur über irdische Entfernungen, sondern auch über Lichtjahre hinweg funktioniert. Mit anderen Worten: Ein verlorenes Photon am Rande des Universums ist prinzipiell in der Lage, spontan einen Quanteneffekt auf der Erde auszulösen!

Erstaunlicherweise war Albert Einstein selber auf dieses merkwürdige Phänomen der Verschränkung gestoßen, das er aber nicht weiter verfolgte und es als “spukhafte Fernwirkung” bezeichnete. Aber Einstein irrte, denn der Spuk scheint tatsächlich zu funktionieren, wie ein sensationelles Experiment, das im Juni 2004 an der Universität Innsbruck durchgeführt wurde, eindrucksvoll bewiesen hat. Zwar ist es den Wissenschaftlern des Teams von Professor Hans Briegel vom Institut für Theoretische Physik nicht gelungen, Aggregate für mit Überlichtgeschwindigkeit getriebene Raumschiffe zu schaffen, aber für eine nicht minder zukunftsträchtige Technologie wurde ein bedeutender Meilenstein genommen.

Es geht dabei um nichts geringeres als das Beamen. In Echtzeit, also ohne jeden Zeitverlust, übertrugen die Wissenschaftler den Quantenzustand eines Atoms über eine Entfernung von zehn Mikrometern auf ein zweites. Dieses zweite Atom weist danach exakt die gleichen Eigenschaften auf wie das erste. Dieses Experiment zeigt, dass eine zeitlose Übertragung von Informationen mit Materie funktioniert – wenn auch bisher nur über eine extrem kurze Strecke. Den ersten Beweis, dass sich Teleportationen durchführen lassen, demonstrierte der österreichische Forscher Professor Anton Zeilinger in Innsbruck im Jahre 1997 zunächst mit masselosen Lichtteilchen, den Photonen. Zeilinger, der heute an der Universität Wien tätig ist, gehört zu den herausragendsten “Köpfen” der modernen Quantenphysik wird übrigens als “heißer Kandidat” für den Physik-Nobelpreis “gehandelt”.

Eingefangene, auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlte Kalziumatome bildeten in dem Labor an der Universität Innsbruck das Herzstück des Teleportationsexperiments. Mit Lasern konnten die Wissenschaftler den internen Zustand der Atome – ihre Quantenzustände – sehr genau kontrollieren und zunächst zwei Atome miteinander verschränken. Dann wurde eines dieser beiden Atome zusätzlich mit einem dritten Atom verschränkt. Dieses lieferte die Eigenschaften, die Quantenzustände, die übertragen werden sollten. Allein durch eine Messung dieses Paares und eine Reihe von Laserpulsen konnte der Zustand des zu teleportierenden Atoms auf das verbleibende Atom übertragen werden.

Die Frage ist, wie es nun mit dem Traum vom schnellen und komfortablen Reisen mit Hilfe der Beam-Technologie aussieht. Werden Menschen künftiger Generationen in die Rolle von Captain Kirk und Mister Spock schlüpfen können und sich nach Belieben “Dematerialisieren” und “Materialisieren” lassen? Zum einen ist bislang völlig unklar, ob es jemals möglich sein wird, ein komplexes makroskopisches System in einen Quantenzustand zu versetzen. Sollte dieses gelingen, käme eine weitere Hürde hinzu. “Allein die Informationen über die Quantenzustände eines Menschen, die zum Beamen übertragen werden müssten, würden einen CD-Stapel von 1.000 Lichtjahren Länge füllen”, dämpft Zeilinger verfrühten Optimismus.

Ganz ähnlich sehen es wohl die Börsianer: Zumindest haben die Erfolgsmeldungen aus Innsbruck bisher keinen Kurseinbruch bei den Aktien der Fluggesellschaften nach sich gezogen. Aber wer weiß heute schon, wie die Welt im 23. Jahrhundert einmal aussehen wird? Eines ist ziemlich sicher: Vermutlich werden CDs dann zu den Relikten aus der Steinzeit des Informationszeitalters gehören. Und mit Hilfe der künftig verfügbaren und fortgeschrittenen Quantencomputer könnte auch das Problem der Abspeicherung von Quantenzuständen makroskopischer Objekte möglicherweise überwunden werden.

Wer mehr über das Thema erfahren möchte, dem sei das Buch von Rolf Froböse „MeinAuto repariert sich selbst. Und andere Technologien von Übermorgen“ empfohlen. Es ist im Weinheimer Wiley-VCH Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro. Siehe:
http://www.amazon.de/Mein-Auto-repariert-sich-selbst/dp/3527311688/ref=sr_1_3/302-1938336-5494413?ie=UTF8&s=books&qid=1181801680&sr=1-3

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Weblink:
http://www.froboese.com